Donnerstag, 28. April 2016

Zeichen

Raum und Zeit verschwindet
Weil uns etwas verbindet
Ein unsichtbares Band
Gibst du mir an die Hand

Du sendest mir Zeichen
Stellst für mich die Weichen
Begleitest meinen Weg
Egal wohin er geht

Ich danke dir so sehr
Weiß jetzt im Leben gibt es mehr
Als körperliches Sein
Wir sind nie allein

Du bleibst mein Sohn

Wut, Frust, Hohn
Du bleibst mein Sohn
Du bist mein Kind
Wo immer wir sind

Ich könnte nur schreien
Will bei dir sein
Dich in meinen Armen spüren
Deine kleine Hand berühren

Du warst in mir
Ich nah bei dir
Doch ich konnte dich nicht beschützen
Vor dieser Welt ganz ohne Stützen

So kalt und laut
So unvertraut
So neu und fremd
fühl mich beklemmt

Wenn ich daran denke
Was ich dir schenkte
Ein kurzes Leben voller Angst und Schmerz
Mir zerbricht mein Herz

Und dennoch fühle ich unendliche Liebe und Glück
Denke ich an dich zurück
An unsere kurze Zeit zu zweit
Erinnert für die Ewigkeit

Donnerstag, 7. April 2016

Was ist passiert

Mein Sohn Simon kam am 10. Februar um 03:04 Uhr per Notkaiserschnitt zur Welt. Am 15. Februar ist er um 01:25 Uhr in meinen Armen gestorben.

Vorzeitige Wehen

Ich war in der 26 SSW (25 + 5) und alles lief bis dahin komplikationslos. Keine Beschwerden, Wehwehchen oder sonstige Anzeichen.
Am 9.Februar bekam ich am Abend gegen 23.00 Uhr Schmerzen im Unterleib. Sie haben sich angefühlt wie Regelschmerzen, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich habe mir keine Sorgen gemacht und nicht wirklich darauf reagiert. Ich bin auf Toilette gegangen, habe gedacht, dass es Probleme im Magen-Darm-Bereich sind. Tee getrunken und darauf gewartet, dass es besser wird.
Wurde es aber nicht. Es wurde schlimmer, aber ich habe gewartet.  Weil es nicht so sehr wehgetan hat. Krämpfe die wieder weg gehen, habe ich gedacht. Wehen sind mir gar nicht in den Kopf gekommen. Ich weiß nicht, wie ich so blöd sein konnte. Allerdings habe ich auf Toilette irgendwann Blut am Papier gehabt. Darauf habe ich den Notarzt gerufen. 1:27Uhr, circa zweieinhalb Stunden nachdem die Schmerzen losgingen. Der Notarzt kam ziemlich schnell. Ich habe in der Zeit auch meinen Freund wach gemacht und meiner Mutter angerufen. Das Blut hat mich dann plötzlich panisch gemacht.
Die Fahrer im Krankenwagen haben mich nicht ernst genommen. Zumindest hatte ich das Gefühl. Ich wusste, dass ich nicht ins nächste Krankenhaus darf da sie dort keine Intensivstation für Kinder haben und keine Geburten vor der 32SSW durchführen. Auch wenn es kein bewusster Prozess war habe ich in diesem Moment wohl schon gewusst was passieren wird. Sie wollten mich erst trotzdem in das nächste Krankenhaus bringen, ich habe aber darauf bestanden, dass sie mich in das Krankenhaus mit Neoanthologie bringen. Mein Freund und meine Mutter fuhren hinterher.
An die Aufnahme im Krankenhaus kann ich mich nicht vollständig erinnern. Die Ärztin tastete am Bauch und schien auch recht ruhig und zuversichtlich. Ein CTG wurde gemacht. Ja, es sind Wehen. Geben wir einen Wehenhemmer. Alles okay. Ein Glück. Lassen wir ihre Familie noch kurz draußen. Sie können dann gleich zu ihnen. Noch mal schnell auf den Stuhl, damit wir nach dem Muttermund gucken können. Verdammt, er ist komplett geöffnet. Dann wurden alle ganz panisch. Wir müssen operieren. Ich wurde ganz zittrig. Mir wurde schlecht. Mir wurde kalt. Alles musste schnell gehen. Irgendwelche Behandlungspapiere musste ich unterzeichnen. Notkaiserschnitt. Davor durfte ich meinen Freund und meine Mutter noch mal sehen. Ich hatte Angst. Angst um mein Baby. Alle hatten Angst und sahen panisch aus.
Ich wurde in den OP-Saal gefahren. Wurde dort abgedeckt und rasiert und musste noch auf den Arzt warten. Um mich herum haben alle Versucht mich zu beruhigen. Ich habe gezittert. Mir war egal was sie sagten. Erst Sauerstoff, dann Narkose. Dann aufwachen. Lebt Simon? Ja. Erleichterung.

Nach der Geburt

Habt ihr ihn schon gesehen? Ja. Alles okay. Ihm geht es ganz gut. 36cm groß und 760Gramm schwer. Gut für sein Alter. Gute Chancen.

Ich konnte nicht gleich zu ihm, weil ich noch nicht aufstehen konnte. Die Visite war noch nicht da. Ich durfte nicht. Mein Freund zeigte mir die Fotos. Mein Sohn. An lauter Kabeln. Ganz allein im Brutkasten. Mein armes Baby.

Als ich am Nachmittag, die Zeit kam mir wie eine Ewigkeit vor, zu ihm durfte ging mir das Herz auf. Mein Kind. Eine Mischung aus Trauer, Freude und Stolz. Sehr ambivalent. Meine größte Sorge war, dass der arme kleine Wurm jetzt in diesem Kasten liegt. Ich habe mir über ‚Kleinigkeiten’ Sorgen gemacht.
Ich wollte doch eine natürliche Geburt und gleich Körperkontakt. Ich wollte während der Geburt keine Schmerzmittel, höchstens homöopathische, um ihn nicht zu belasten. Ich wollte danach gerne wieder schnell nach Hause und ihn im Tragetuch durch die Gegend tragen. Alles richtig machen, um meinem Sohn emotionale Stabilität zu geben. Und vor allem wollte ich noch mindestens drei Monate schwanger sein. Die Beine hochlegen. Es mir gut gehen lassen und viel mit ihm sprechen und vorgeburtlichen Kontakt zu ihm aufnehmen.

Und jetzt? Jetzt liegt er hier und ich kann ihn noch nicht mal anfassen. Jetzt müssen wir mindestens bis zu Entbindungstermin am 20.Mai im Krankenhaus bleiben. Ich kann nicht die ganze Zeit bei ihm sein. All das waren Sorgen die mir durch den Kopf gingen. Ich hatte noch gar nicht realisiert, was es eigentlich bedeutet.

Dass meine Ängste und Sorgen in diesem Moment ganz kleine Übel sind und ich mich glücklich schätzen kann, wenn es überhaupt dazu kommt drei Monate im Krankenhaus zu sein.

Mein kleiner Simon war so hübsch und er tat mir so leid.

5-Tage-Leben

Die fünf Tage bis zu seinem Tod sind für mich noch ganz verschwommen. Ich kann sie nicht mehr sortieren. Ich war so viel wie möglich bei Simon. Aber leider musste ich mich zwischendurch auch immer wieder viel erholen. Der Notkaiserschnitt, ein T-Schnitt, nahm mich doch noch sehr mit. Es musste mich immer jemand mit dem Rollstuhl zu Simon fahren. Ich war froh, dass meine Familie so viel bei uns war und auch der frischgebackene Papa stand mir immer zur Seite.

Die Realität schlich sich bei mir nach und nach ein. Trotzdem hatte ich das Gefühl, das sich alle mehr Sorgen machten als ich. Positiv denken, war meine Grundhaltung in diesen Tagen. Vielleicht auch einfach Verdrängung...

Ich habe Simon vorgelesen. Ironischer Weise ‚Der kleine Prinz’. Ich habe viel mit ihm gesprochen und ihm davon erzählt was zu Hause auf ihn wartet und was wir alles machen werden, wenn er hier raus ist. Ich durfte meine Hand in den Brutkasten legen. Die kleinen Füße an meiner Hand und meinem Arm. Das hätte ich stundenlang machen können, egal ob mir der Arm einschläft oder nicht. Ich muss sagen, ich habe die Zeit mit ihm genossen. Dort habe ich mir ‚verboten’ Angst zu haben und negativ zu denken. Für ihn stark sein und ihm Kraft geben, war das einzige was dort zählte. Den Augenblick leben.

Ich habe Muttermilch abgepumpt. Mich über jeden Tropfen gefreut. Alles in die Neonatologie gebracht, damit er stark wird. Groß und stark.

Leider hat das nicht gereicht. Simons Zustand verschlechterte sich Tag für Tag, oder eher Nacht für Nacht. Wann was, und was genau, geschah kann ich nicht mehr zuordnen. Als erstes war es die Lunge. Ich glaube Blut in der Lunge. Seine Beatmungsart wurde geändert. Vorher hatte er viel selbstständig geatmet, jetzt wurde er mit Flatteratmung am Leben gehalten. Der kleine Brustkorb hob und senkte sich in Sekundenschnelle. Das hatte allerdings auch eine Gehirnblutung ausgelöst. Blut im Gehirnwasser. Die Ärzte sprachen mit uns. Was das genau bedeutet könne man uns noch nicht sagen. Man könne es erst sehen, wenn die Blutung zurückgeht. Dann zeigt sich, welche Areale betroffen sind. Es sah aber noch so aus, als würde es nicht viel Schaden geben. Aber generell sollten wir uns Gedanken darüber machen, was wir von unserem Kind erwarten und was wir uns für ihn wünschen. Scheiße. Über so was möchte man eigentlich nicht nachdenken. Es hat eine Art Endgültigkeit darüber nachzudenken und zu sprechen. Es ist ein Stück weit wie aufgeben. Nicht mehr positiv denken, sondern die Möglichkeit in Betracht ziehen ihn gehen zu lassen. Nichtsdestotrotz mussten wir darüber nachdenken und darüber sprechen. Vor allem als beim nächsten Ultraschall am Köpfchen die Blutung widererwarten nicht zurückgegangen war, sondern sich eher zugenommen hatte. Die Ärztin zeigte uns auf dem Ultraschallbild welche Areale welche Funktion hatten und was ein Schaden in der jeweiligen Region mit sich bringen würde. An der einen Stelle körperliche Beeinträchtigung an der anderen Sprache und so weiter... Sie konnte aber noch nicht sagen, was davon betroffen werde. Wieder sagte sie uns wir sollten darüber nachdenken, was wir von unserem Kind erwarten. Die Gedanken darüber waren unausweichlich.
Als die Blutungen zurückgegangen waren und die Schwellung abgenommen hatte zeigte sich im Ultraschall des Köpfchens, dass alle Areale rundum betroffen waren. Mein Freund weinte bitterlich. Ich kann es alles nicht mehr in die richtige Reihenfolge bringen. Aber an einem Abend saßen wir im Flur des Wöchnerinnenstation und weinten schrecklich. Ich hatte kein Einzelzimmer, deswegen hatten wir auch nie unsere Ruhe.

Der letzte Abend

Am letzten Abend habe ich dann doch ein eigenes Zimmer bekommen und auch Tino durfte dort schlafen. Ich denke sie haben schon geahnt, dass etwas passieren könnte oder eine Entscheidung getroffen werden müsste. Sonntag hatte man uns gesagt, dass sich am Montag noch mal alle Ärzte zusammensetzen und dann ein Gespräch mit uns geführt werden würde. Ich bin erstaunt, dass ich in dieser Zeit gegessen und geschlafen habe, aber mein Körper scheint einen relativ hohen Selbstschutzmechanismus zu haben. Ich war sowohl hungrig, als auch dazu fähig in das Krankenhausbett zu fallen und zu schlafen. Am Sonntag konnte mein Freund also auch dort schlafen und wir hatten uns gerade hingelegt, uns beruhigt und versucht zu schlafen, da kam die Ärztin und sagte uns wir sollen zu Simon, in die Neonatologie, kommen.

Scheiße! Scheiße! Scheiße!

Wir sind sofort rüber. Schlafanzug, Bademantel, Rollstuhl. Mir war so kalt, ich hab gezittert. Wenn ich selber gelaufen wäre, wäre ich wohl umgekippt. Die Ärztin sagte uns er habe Löcher im Darm und starke Schmerzen. Er bekam Morphium. Ich weiß nicht genau, wie ich es schreiben soll, aber wir sollten entscheiden, ob er operiert werden sollte oder ob sie ihn von den Geräten nehmen lassen.

Wir hatten schon vorher darüber geredet war wir wollen. Die Ärzte hatten uns ja mehrmals darum gebeten darüber nachzudenken. Sie haben uns dann noch mal allein gelassen, um uns zu entscheiden. Keine Operation mehr. Er hat schon genug gelitten. Wir wünschten uns für Simon ein Leben ohne Schmerzen und ohne Leid. Ein fröhliches Leben. Durch den Garten springen, sprechen, lernen, leben...das Leben genießen. Und auch wir wünschten uns ein gesundes Kind. Ich weiß nicht ob es egoistisch oder selbstlos war in ziehen zu lassen. Ob wir stark oder schwach sind. Wir haben in auf jeden Fall ziehen lassen. Er hat uns die Entscheidung abgenommen, die wir vermutlich am nächsten Tag hätten treffen sollen. Ich glaube die Ärzte hätten uns auch ohne die Komplikation am Darm gefragt, ob sie die Geräte abstellen sollen. Ich glaube die Entscheidung wäre mir dann schwerer gefallen. So war es ein Zeichen. Er konnte nicht mehr. Er wollte nicht mehr. Noch eine Operation und mehr Schmerzen konnten wir ihm doch nicht zumuten.

Jetzt sitze ich hier und vermisse ihn so sehr. Ich traure um die letzten drei Monate meiner Schwangerschaft und um ein ganzes Leben danach. Um unsere Zukunftspläne und Träume. Um alles was hätte kommen sollen. Um ein Leben mit unserem Kind. Eine Parallelwelt. Ja, ich fühle mich als wäre ich in einer Parallelwelt. Was würde ich heute machen, wenn das alles nicht passiert wäre? Jetzt sitze ich auf der Terrasse. Ich rauche und trinke. Ich habe es so genossen nicht zu rauchen und nicht zu trinken. Für meinen kleinen Engel. Ich wollte alles richtig machen. Bloß kein Risiko eingehen. Danke für nichts.

Nein, ich habe etwas wofür ich mich bedanken kann. Danke für deinen Besuch Simon. Danke für die letzten Stunden mit dir. Wir haben den Ärzten dann unsere Entscheidung mitgeteilt. Ich habe mir solche Gedanken gemacht. Soll ich vorher meine Eltern anrufen oder danach. Keiner konnte mir die Entscheidung abnehmen. Aber ich wollte nicht, dass ihnen was passiert, wenn ich jetzt anrufe und ich wollte auch nicht mehr warten. Ich wollte ihn nicht länger leiden lassen. Meinen kleinen Engel. Also haben sie ihn von den Kabeln abgemacht, nur noch die kleine Manschette zum Pulsmessen am Arm, und ihn auf meine Brust gelegt.

So ein kleiner Wurm. So zerbrechlich. So zart. So hilflos. Er hat bestimmt noch mindestens eine Stunde auf mir gelegen und selber geatmet. Der kleine Wurm. Er hat mir noch diese Zeit mit ihm geschenkt. Der schönste und der schlimmste Moment meines Lebens. Ich habe mich schon so lange darauf gefreut ihn in meinem Arm zu halten. Ihn zu spüren. Ihn wärme zu geben und seine wärme zu geben. Diese Zeit werde ich nie vergessen und ich bin ihm unendlich dankbar, dass er noch so lange durchgehalten hat. Immer wieder hat der kleine Mund nach Luft geschnappt als würde er seufzen. Und ich habe zwischendrin gedacht, warum können sie ihn nicht wieder anschließen. Er ist doch so stark. Er will doch leben. Wenn die Ärzte kurz reinkamen, um zu fragen ob es für uns noch okay ist habe ich gehofft sie sagen, dass sie ihn wieder anschließen. Es war alles ein versehen. Aber leider haben sie das nie gesagt. Trotzdem habe ich die Zeit genossen. Ich habe zu meinem Freund gesagt, dass er jetzt nicht weinen soll. Er soll stark sein. Für Simon. Keine Tränen jetzt. Nur Liebe. Den Moment genießen, indem er noch am Leben ist. Stark für Simon sein.

1:25Uhr hat das kleine Herz dann aufhört zu schlagen. 1:25Uhr musste ich loslassen. Dann konnte ich weinen. Ich hätte ihn noch ewig, lebend, in meinen Armen halten können.

·      

In a baby castle

In a baby castle 
just beyond my eye,
My baby plays with angel toys 
that money cannot buy.
Who am I to wish him back,
Into this world of strife?
No, play on my baby,
You have eternal life.

At night when all is silent
And sleep forsakes my eyes
I’ll hear his tiny footsteps 
come running to my side.
His little hands caress me, 
so tenderly and sweet.
I’ll breathe a prayer and close my eyes 
and embrace him in my sleep.

Now I have a treasure 
that I rate above all other,
I have known true glory 
– I am still his mother  

Doris Strokes (1920 - 1980)

In dem Buch '...' von ... bin ich auf die deutsche Übersetzung dieses Gedichtes gestoßen und habe daraufhin das Original gesucht und auf der www.psychicrose.co.nz gefunden. 

Es ist einfach traurig und schön. Und es ist wahr. Ich habe einen Schatz, den ich über alle Maßen schätze. Ich hatte die Chance bedingungslose Liebe kennenzulernen, für meinen einzigartigen Sohn. Ich bin eine Mutter. 

Simon ich liebe dich.