Freitag, 26. Februar 2016

Das Leben geht weiter

Das Leben geht weiter. Irgendwie muss es ja weiter gehen.

10 Tage seitdem Simon in meinen Armen gestorben ist. 10 Tage seitdem schönsten und schlimmsten Moment in meinem Leben. 1 Tag nach Simons Feuerbestattung.

Heute kam mein Bachelorzeugnis hier an. 1,5er Durchschnitt. 1,3 in der Bachelorarbeit. Ein Grund sich zu freuen. Darf man das? Will man das?

Dinge die einen so wichtig waren erscheinen plötzlich so unwichtig. Ja, ich bin Stolz und vielleicht freue ich mich auch ein bisschen darüber. Aber es ist alles so dumpf. Wie hinter dichtem Nebel.

Ich habe mir das Zeugnis angesehen und nicht einmal gelächelt. Welche Rolle spielen diese Noten überhaupt noch? Welche Bedeutung haben sie in meinem Leben? Ich will mich nicht als Studentin definieren, sondern als Mutter. Und ich bin Mutter, Mutter eines Sternenkindes.

Aber selbst wenn ich mich tatsächlich freuen könnte, dürfte ich das? Darf ich jetzt auf Facebook schreiben, dass ich es geschafft habe? Bin ich dann herzlos?

Darf ich mich mit anderen Dingen beschäftigen? Auch mal Lachen? Ist das seltsam? Darf ich eine Serie gucken und mich darüber unterhalten? Darf ich mich mit Freunden treffen und über etwas anderes als Simon reden?

Ich möchte das nämlich. Ich möchte, dass mein Leben weiter geht. Ich denke jeden Moment an meinen Sohn. Es gab bisher keinen Augenblick in dem ich ihn nicht im Hinterkopf und im Herzen hatte. Aber ich habe trotzdem schon gelacht oder mich mit anderen Dingen beschäftigt.

Aber jetzt wird es langsam schwierig. Denn jetzt geht es wirklich weiter. Die Dinge die Simon betreffen sind erledigt. Anträge gestellt, Versicherungen organisiert, Decke genäht, Bestattung...
Jetzt gibt es nichts mehr zu tun für ihn. Das macht die Leere nur noch größer. Eine unendliche Leere die sich von meinem Körper in mein Leben zieht.

Ich kann mich nicht im Spiegel angucken ohne traurig und wütend zu werden. Ich will meinen Bauch wieder! Dieser flache Bauch, über den sich jede Mutter eines lebenden Kindes wahrscheinlich freuen würde, kotzt mich total an! Ich will mein Baby zurück. Gleichzeitig verhöhnen mich dich Zeichen die 6 Monate Schwangerschaft zurückgelassen haben. Die Brust die nicht mehr in ihrer alten Form ist, die Hüften die auseinander gegangen sind. Ich fühle mich verspottet. Ich habe mich darüber gefreut, dass mein Körper sich verändert. Ich habe gedacht ich nehme das gerne in Kauf als Zeichen dafür, dass ich Mutter bin. Und jetzt bin ich Mutter und mir bleiben nur diese Zeichen. Kein Kind in meinem Bauch. Kein Kind in meinen Armen.

So viel zur Leere in meinem Körper, aber viel schlimmer ist die Leere in meinem Leben. Alle Pläne und Träume verlaufen einfach im Sand. Dabei waren sie doch schon in Stein gemeißelt. Das fängt an mit den Dingen, die jetzt sofort anstehen würden. Dieses verdammte Regal, dass hier 2 Tage nach Simons Tod angekommen ist und eigentlich aufgebaut werden sollte, um das Arbeitszimmer leer zu räumen und ein Kinderzimmer daraus zu machen. Es steht jetzt hier und verhöhnt mich. Es muss trotzdem noch aufgebaut werden, aber ich habe keine Lust darauf. Keine Lust, denn es ergibt einfach keinen Sinn.

Aber auch alle anderen Pläne. Das freie Semester. Die Elternzeit. Das Leben mit Kind. Die Spaziergänge in der Schwangerschaft. Schwangerschaftsyoga. Baby-Pilates. Das Haus kindersicher gestalten. Den Garten fertig für Simon machen. Alles sinnlos.

Und es gibt trotzdem so viel zu tun. Aber ich habe keine Lust darauf. Ich könnte mich ablenken mit Akten die sortiert werden müssen oder Schränke die auf und umgeräumt werden sollten. Dinge die ich jetzt in der vorlesungsfreien Zeit sowieso machen wollte, damit alles für Simon schön ist. Aber ich will nicht. Es ist so belanglos. Wofür? Für wen?

Wieso geht das Leben weiter? Wieso stehen diese anderen Dinge immer noch an? Wie kann es sein, dass im Radio über andere Dinge gesprochen wird, als über meinen Verlust? Wie kann es sein, dass das nächste Semester einfach ganz normal wieder anfängt. Wie kann es sein, dass Simons Geburtstermin ein Datum ohne Bedeutung ist? Wird da nichts passieren? Wird dieses Datum einfach verstreichen, ohne das ich mein Kind wieder in den Armen haben werde?

Das Leben geht weiter. Und ich kann es nicht glauben. Ich versuche daran teilzunehmen, aber seit der Feuerbestattung fühle ich mich noch hilfloser. Jetzt gibt es nichts relevantes mehr. Keine Vorbereitungen. Nichts was ich für Simon machen kann. Nur noch leere, bedeutungslose Aktivitäten. Aktivitäten in die ich mich teilweise auch stürze, die aber keine wirkliche Ablenkung und keinen Trost mit sich bringen. Es gibt nichts, dass mir mein Kind wieder bringt.


















Donnerstag, 25. Februar 2016

Viel zu früh

Viel zu früh
bist du auf diese Welt gekommen

Viel zu schnell
wurdest du ihr wieder genommen
Viel zu schnell
musstest du von uns gehen

Viel zu kurz
konnten wir dich sehen
Viel zu kurz
durften wir dich kennen lernen

Viel zu früh
gingst du zu den Sternen


(Für Simon, 23.02.2016)

Ich habe ein Sternenkind

Ich habe ein Sternenkind.

Ich kann es selber noch nicht glauben. Es ist so unwirklich.
Mein Sohn Simon kam vor 15 Tagen auf die Welt und ist seit 10 Tagen tot.

tot...Tod...verstorben...von uns gegangen...im Himmel...gestorben...verschieden

Es ist schwer die richtigen Worte zu finden. Für mich und für alle die uns ihr Beileid bekunden. Was ist richtig und was ist falsch?

Was kann man sagen, wenn ein so kleines Wesen stirbt? Wie soll man das verstehen? Wie soll am es realisieren?

Mir fällt es schwer meine Gedanken und meine Gefühle zu ordnen. Ich habe Angst vor der Zukunft und ich habe Angst vor dem Jetzt.

Ich weiß nicht, ob bei mir angekommen ist, was wirklich passiert ist. 3 Monate sind es noch bis zum eigentlichen Geburtstermin. Nach und nach sickert es durch. Aber ich glaube es hat mich noch nicht vollständig erreicht.

Hier möchte ich meine Erfahrungen, meine Gedanken und auch meine Gefühle allen zugänglich machen. Ob Freunde, Bekannte oder Fremde, alle die es interessiert sind herzlich eingeladen zu lesen und zu kommentieren.

Der Sinn dahinter ist zum Einen mir die Möglichkeit zu geben die ganze Sache zu realisieren. Sie in Worte zu fassen, zu verarbeiten, zu verstehen was passiert ist. Trauerarbeit und Selbsttherapie sozusagen.
Zum anderen soll die Seite es den Menschen in meiner Umgebung ermöglichen zu verstehen, wie wichtig dieses Lebensereignis für mich ist. Auch wenn sie meinen kleinen Mann nicht kannten und ihn nicht als Teil meines und ihres Lebens wahrgenommen haben, ist er ein Teil in meinem Herz und wird es für immer bleiben. Unendliche, bedingungslose Liebe. Unendliche, bedingungslose Trauer. Vermutlich schwer zu verstehen für jemanden der dies nicht erlebt hat. Vielleicht hilft diese Seite beim Nachvollziehen meiner Situation und leider auch der zu vieler anderer.
Außerdem hoffe ich auch in Kontakt mit anderen Eltern in einer ähnlichen Situation zu treten. Eure Erfahrungen interessieren mich. Wie seid ihr mit der Situation umgegangen oder wie geht ihr damit um?

Zuletzt noch etwas zum Titel dieser Seite.

Simon Sternenkämpfer.

Simon ist der Name meines wunderschönen Sohnes. Schon seid Oktober steht fest, dass Simon ein Junge wird und bereits davor hatten wir diesen Namen und einen Mädchennamen für ihn. Seitdem wurde er im Bauch immer mit Simon angesprochen. Immer wenn wir über ihn redeten, Pläne schmiedeten, Sachen für ihn kauften oder er in mir strampelte sprachen wir von unserem kleinen Simon. Simon der uns alle überleben sollte. Der einzige Jungenname der uns gefiel. Simon.

Sternenkinder nennt man Kinder die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind.
Andere Begriffe sind Schmetterlingskinder oder Engelskinder. Sternenkind hat sich für Simon aber am passendsten angefühlt.

Kämpfer deshalb weil unser kleiner Mann 5 Tage am Leben war, nachdem er viel zu früh auf die Welt kam. 5 Tage kämpfte er um dieses Leben, auch wenn es nicht immer leicht für ihn oder uns war. Deswegen ist und bleibt er unser Kämpfer, auch wenn er diesen Kampf nicht gewonnen hat und wir ihm am Ende gehen lassen haben. Er sollte nicht mehr kämpfen, denn er sollte nicht mehr leiden. Er hatte sich eine Pause verdient, auch wenn das unendliches Leid für uns bedeutet.

Simon Sternenkämpfer.

Mein Sohn. Ich liebe dich.